Elora hat Bulimie
Hallo, ich bin heute auf Eure Seite gestoßen und fand die menschlichen/fraulichen
Erfahrungsberichte echt gut.
Ich möchte jetzt auch meine Erfahrung mit den Wünschen nach Schlankheit mitteilen.
Ich bin jetzt 22 Jahre alt.
Den Wunsch Schlankheit kenne ich aber seit ich 12 war. Mit Anlaufen der Pubertät
ging ich auf, wie Hefekuchen. Ich war bis dahin ein recht hübsches Mädchen, doch je
dicker ich wurde, desto mehr wurde mir gesagt, dass ich abnehmen sollte...
das sähe besser aus und so weiter. Ich war sehr deprimiert, denn es ärgerte mich,
dass mein engerer Kreis öfter das Figurproblem ansprachen.
Klar, ich wurde fülliger, weiblicher, aber die Marke zum Übergewicht hatte ich nie
überschritten. Doch die Leute, die mich von "Früher" kannten, legten mir oft ans Herz,
was für meine Figur zu tun. Ich beschloss also abzunehmen.
Ich esse aber sehr gern und der Sport machte mich zwar fitter, aber nicht schlanker.
Ich machte eine Diät nach der anderen. Meine Mutter beobachtete, ob ich
mich auch daran hielt. Es brachte aber nicht den Erfolg, und wenn doch, dann nur
kurzfristig. Ich erreichte nicht das Bild dessen, was ich sein wollte.
Mit 14 begann ich mich zu übergeben. Ich weiß, das klingt ekelig, aber es war
auf der anderen Seite sehr bequem. Bequem deshalb, weil ich alles essen konnte,
worauf ich Lust hatte; selbst die dickste Sahnetorte schlang ich guten Gewissens runter,
schließlich wußte ich ja, dass ich sie gleich im Klo wieder los habe. Und wenn ich dann
doch das Gefühl hatte, zuviel gegessen zu haben, half ich mit Überdosen Abführmittel
nach. Ich wurde dabei zwar nicht dünner, aber auch nicht dicker. Es wurde zur
Regelmäßigkeit und irgendwann hatte ich den Punkt erreicht, dass es für mich undenkbar
wurde, nicht nach dem Essen kotzen zu gehen. Ich hatte also Bulimie, meine
Selbstachtung war am Boden. Mit 17/18 entschied ich von selbst, mir von einem
Psychologen helfen zu lassen. Aber was ich bekam war keine Beratung, sondern Fluctin in
der höchsten Dose. Fluctin ist ein Antidepressivum und wirkt auch appetithemmend.
Dadurch hab ich auch tatsächlich abgenommen; ich wurde attraktiv, die Jungs drehten sich
nach mir um undsoweiter. Doch das Problem, dass ich mein Selbstbild abhängig machte
von dem, wie andere mich wahrnehmen, war damit nicht beseitigt. Es widerte mich
ausserdem an, Tabletten einzunehmen. Der nächste Therapieplatz war für mich ein
dreiviertel Jahr entfernt und lag genau in meiner Abizeit.
Ich hörte radikal auf, Fluctin zu nehmen.
Ich weiß, dass es falsch ist, ohne psychologische Betreuung Fluctin abzusetzen;...naja,
ich tat es trotzdem.
Ich hatte nämlich in meinem Kunstkurs ein Mädchen kennengelernt, das magersüchtig war
und gemeinsam sprachen wir oft darüber. Wir ermunterten uns gegenseitig uns richtig zu
ernähren. Was meine Figur heute angeht: ich sehe ganz normal aus; etwas
kräftig vielleicht aber sportlich. Ich habe versucht, mich zusammenzureissen.
Ich übergebe mich kaum noch; es ist selten geworden. Ich versuche mich gesund zu
ernähren und habe langsam gelernt, weniger zu essen. Ich hatte nämlich durch meine
Fressattacken einen gedehnten Magen, so dass das Sättigungsgefühl erst spät einsetzte.
Mit einem guten Gewissen im Bauch, habe ich auch nicht den Drang, mich übergeben zu
müssen. Übrigens habe ich einen bleibenden Schaden aus meiner ungesunden Zeit:
mein Kreislauf ist labiler geworden (extrem niedriger Blutdruck), dadurch wird man
körperlich ganz schön unflexibel.
Warum ich euch schreibe? Ich möchte, dass meine Geschichte gelesen wird. Ich bin mir
ganz sicher, dass es viele junge Mädchen gibt, denen es genauso geht/ging, wie mir.
Ich denke, bevor wir Frauen unsere Körper renovieren, müssen wir unsere Gesellschaft
und unser Selbstbild ändern. Jedesmal, wenn ich das Schönheitsideal in Medien und
Werbung vorgeführt bekomme,könnte ich schreien vor Wut.
Denn wie viele werden sich daran orientieren?
Vor allem die jungen Mädchen, die durch die Pubertät schon genug mit sich selbst zu
tun haben. Müssen diese Mädchen denn mit dem Druck, so schön schlank zu sein,
konfrontiert werden? Ich finde das hart. Selbstvertrauen durch einen schlanken
Körper aufzubauen, ist eine sehr gefährliche Angelegenheit, wie ich finde.
Bis dahin, eure Elora am 03.12.03
weitere Anti-Diätler
|
|