15.10.2013
191,8 kg
Weg nach unten?
... naja, eigentlich andersherum.
Am Donnerstag stand ich auf der Waage und es waren 198 Kilo, meine persönlichen shocking shorts, sozusagen.
Da ich aber abends nach Feierabend sowieso einen Termin beim Hausarzt hatte, habe ich mir fest vorgenommen, ihn darauf
anzusprechen.
Mir war zu dem Zeitpunkt plötzlich glasklar, dass ich es alleine nicht schaffen werde.
Ich brauche medizinische Hilfe - in welcher Art und Weise auch immer.
So saß ich also Punkt 18 Uhr meinem Hausarzt gegenüber, hielt ihm zuerst meine wassergeschwollenen Beine unter die
Nase, woraufhin er entsetzt die Entwässerungstablettendosis erhöhte und eine Blutabnahme zur Überprüfung der
Elektrolytwerte ansetzte.
Dann kam ich auf mein Gewicht zu sprechen.
Er wusste von meiner LowCarb-Ernährung und dass ich es damit schon auf unter 180kg geschafft habe.
Ich wollte wissen, inwiefern ich Chancen auf ein Magenband oder eine Magenverkleinerung habe.
Und ich sagte: Ich kann nicht mehr, alleine packe ich das nicht.
Die Antwort?
Das ist ja ganz einfach:
Sie dürfen einfach nicht soviele Kalorien zu sich nehmen, wie Sie verbrennen.
Sprachs und blickte tadelnd auf meinen Bauchspeck.
Ganz einfach.
Ist klar.
Zuhause hatte ich dann erstmal einen halben Nervenzusammenbruch inklusive Heulkrampf.
Mein Freund wusste noch nichts Genaues vom Arztbesuch, so dass er sich plötzlich völlig ohne Vorwarnung einem
schluchzenden, zuckenden Häuflein Bauchspeck mit Armen und Beinen gegenübersah.
Ich KANN solche Abnehm-Sprüche einfach nicht mehr hören.
Warum, in Gottes Namen, glaubt alle Welt eigentlich, dass Übergewicht nur mit Kalorienzählerei zu bekämpfen ist?
Fällt selbst Ärzten einfach nichts anderes mehr ein?
Jedenfalls:
Nachdem die Tränen getrocknet und der Mann wieder halbwegs beruhigt war, setze ich mich mit einem Gedanken von
"Dann halt ohne dich, du A****!" in Richtung meines Hausarztes an den PC und googelte - und fand in Koblenz eine Klinik mit
Adipositassprechstunde, die auch operative Eingriffe vornehmen.
Freitag früh hatte ich direkt einen Zahnarzttermin, ich bekomme eine neue Krone und dafür muss natürlich alles
vorbereitet werden.
Meine Zahnärztin ist eine super liebe Frau, nicht viel älter als ich selbst und ich versteh mich super mit ihr.
Dafür fahre ich dann auch mal knapp 30km zu ihr.
Sie sah mir sofort an, dass mich etwas bedrückte.
Und sie fackelte auch nicht lange, sondern schaffte es, dass mir die die ganze Wut und Enttäuschung über meinen Hausarzt
einfach aus dem Mund sprudelte.
Und dann senkte sie den Bohrer, sah mich an und fragte mich nach meinen Diagnosen - ich erwähnte die Insulinresistenz,
die Hyperandrogenämie und alles, was seitdem in den Akten steht:
Bluthochdruck, Asthma, Schlafapnoe, leichter Bandscheibenvorfall.
Sie schaut mich nachdenklich an und fragte mich dann, wann die extreme Gewichtszunahme begonnen hätte:
so mit 16/17. Spätpubertät. Und dann fragte sie mich nach meinem Geburtsgewicht (5530 Gramm).
Als die Zahnarzthelferin dann mit dem x-ten Gebissabdruck beschäftigt war, verschwand sie und kam ein paar Minuten
später strahlend wieder mit einem Zettel herein: "Ich hab da was für Sie!"
Anhand meiner Diagnosebeschreibungen hatte sie sich wirklich hingesetzt und mir eine Spezialklinik für
Stoffwechselerkrankungen in Düsseldorf herausgesucht, die sich tatsächlich mit Patienten wie mir (Insulinresistenz etc.)
beschäftigen und diese behandeln.
Meine ZAHNärztin macht die Hausaufgaben meines Hausarztes. Ich war baff.
Das Wort Stoffwechselerkrankung war mir bis dato sowieso noch nie untergekommen, bisher hörte ich nur was von
Hormonstörung.
Aber sie meinte, das wäre ja heutzutage bekannt, dass Babys mit einem extremen Geburtsgewicht meistens irgendwas in
sich tragen (nur meinem Hausarzt anscheinend nicht) - und das, was sie wüsste, würde genau auf mich passen - Ausbruch in
der Pubertät, wenn die Hormone anfangen verrückt zu spielen, dazu die 5530 Gramm und meine diagnostizierten Probleme.
Sie ermunterte mich, dort einfach mal anzurufen - was ich auch am Montag tun werde.
In der Klinik in Koblenz habe ich übrigens schon einen Termin.
Am 16.05. - DASS ich Ess-Störungen habe, weiß ich selbst.
Ich esse, wenn es mir schlecht geht, um mich zu beruhigen und aus Langeweile.
Und ich glaube, dass niemand, der mein Tagebuch von Anfang an verfolgt hat, sagen würde, dass es mir an Willenskraft
mangelt. Oder doch? Schließlich habe ich hier zwar nur zwei meiner Ernährungsvarianten ausführlich
beschrieben - die WeightWatchers-Methode und das LowCarb - aber beide habe ich nicht nach 4 Wochen hingeschmissen,
sondern lange durchgezogen.
Und effektiv waren es noch viel mehr Versuche - die Montignac-Methode, Trennkost, Glyx-Diät und ausschließliche
Rohkost-Ernährung.
Alleine schaffe ich es also anscheinend nicht.
Und ich möchte nicht noch 10 Jahre als offensichtliche Begaff-Sehenswürdigkeit auf der Welt herumlaufen.
Ich möchte einfach nur GESUND sein.
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